Freitag, 11. November 2011

Biokohle - Technikfolgenabschätzung

Ganz ehrlich, als vor ca. eineinhalb Jahren die Idee für dieses Projekt in mir reifte, hätte ich nicht gedacht, daß ich an diesen Punkt gelange. Nicht beim Thema Garten, Acker und Boden. Und ich habe auch überlegt, ob es passend ist, neben dem Zusammentragen von Informationen, was derzeit immer noch primäres Ziel von terra perma ist - auch eine persönliche Meinung - zum jetzigen Zeitpunkt - hier einfließen zu lassen. Doch es läßt mir keine Ruhe mehr.

Terra-Preta oder Anthrohumox, als künstliches Substrat zur Bodenstabilisierung, letzendlich Bodenverbesserung und Katalysator für Humusaufbau, ist gerade im letzten Jahr vollends im Mainstream angekommen. Zahlreiche private und inzwischen auch öffentliche Versuche wurden begonnen. Allenortes Grundlagenforschung. Das ist gut so. Und die Brücke zur letzendlich steuernden Politik wurde ebenfalls schnell geschlagen. Das Einbringen von nicht bzw. schwer abbaubarem Kohlenstoff ist eine Kohlenstoffsenke, wichtig bei der heutigen Klimadiskussion. Doch zu welchem Preis?

Die Rolle der milchsauren Fermantation, also der Beitrag der "EM-Fraktion", wird immer wieder hinterfragt. Es wird, zumindest im privaten Bereich, bemängelt, daß ebendiese Hersteller immer nur teils erstaunliche Aussagen treffen, aber dies nie wissenschaftlich belegbar unterfüttern. Diese Kritik ist m.E. berechtigt und wichtig. Jedoch, die zweite "große" Fraktion wird praktisch nie hinterfragt. Existierende Proleme werden scheinar verdrängt. Das ist eben die Biokohle. Das Potential der "Kohlenstoffbindung" wird immer wieder in den Vordergrund gebracht. Doch die Praktikabilität fehlt hier und es wird stillschweigend hingenommen. Warum ist das so?

Wenn man sich dazu entschließt, einen künstlichen Humus aufzubauen, ihn mit Massen von verkohltem Pflanzenmaterial generiert, warum wird gerade hier nicht die Sinnhaftigkeit hinterfragt? Das beginnt bereits im Kleinen. Private Versuche stehen immer wieder vor dem Problem der Materialbeschaffung. Häufigste Quelle ist dann die Grillkohle. Es gibt 'zig Anleitungen, diese zu zerkleinern. Doch, wo bleibt hier der Sinn? Nach Wikipedia-Statistik kommen 98 % der in D angebotenen Grillkohle nicht aus dem eigenen Land. Der größte Teil kommt aus Südamerika, gefolgt von Polen - und sicherlich demnächst auch aus Rumänien. Wald wird für den Wohlstand abgeholzt. Wo ist belegt, daß eine äquivalente Fläche wieder aufgeforstet wird? Entschließt man sich für andere Rohstoffquellen, wird es noch bedenklicher. Kleingärtner und auch Landwirte experimentieren mit der eigenen Biokohleherstellung. Doch welche Gefahren bestehen hier? Ein technologisch möglicherweise nicht ausgereifter und erst Recht nicht kontrollierter Prozeß ist die Folge. Wer weiß denn schon, wieviele Schadstoffe, die zweifelsohne bei einer unsachgemäßen Verkohlung entstehen können, mit bester Absicht und unwissend in den Boden gelangen? All das "Bio" im Garten oder auf dem Acker ist damit praktisch hinfällig. Schlimmsten Falls wird der Boden zum Problemfall.

Im Großen ist das Problem hingegen ein anderes. Praktisch alle derzeitigen öffentlichen Versuche beziehen zumindest einen Großteil der Biokohle aus Rumänien. Mangels Alternative (!). Dort wird dafür europäischer Urwald abgeholzt. Im Dienste der Wissenschaft. Das ist perfide. Und das Problem wird ebenfalls schnell klar.

Grundlagenforschung zum Thema Terra-Preta beginnt bei der Holzkohle. Das wissen fast alle Beteiligten. Doch der Drang nach schnellen Ergebnissen läßt derart schräge Situationen zu. Es ist allgemein anerkannt, daß noch viele Grundlagenerkenntnisse bzgl. Biokohleerzeugung fehlen. Aber das ist ein industrieller Prozeß, mit gierigen Unternehmern im Hintergrund; kein begärtnern von schnell vorzeigbaren grünen Landschaften. Und eben dafür gibt es leider keine öffentlichen Mittel. Ein meines Erachtens sehr schwerwiegender und grundlegender Fehler.

Letzendlich möchte man mit der Biokohleerzeugung regionale, vor allem aber nicht zentrale, Stoffkreisläufe erzeugen. Aber man bedient sich derzeit entweder eines nicht wieder zu reparierenden "Ausweich-Stofftransportes" oder eines ebenfalls nicht bzw. sehr schwer wieder zu reparierenden (Gift-)Risikos. Ganz schön schräg bei all der guten und richtigen Zielsetzung der Terra-Preta-Erforschung. Dabei wäre es doch so einfach. Warum kann man nicht einen Bruchteil der öffentlichen Fördergelder bspw. in Laborkosten für die Untersuchung der dezentral (auch im Kleinstmaßstab) erzeugten Biokohle geben? Niemand, ob nun Kleingärtner oder Landwirt, hat Interesse, einen ungenügenden Herstellungsprozeß für Biokohle zu entwickeln bzw. anzuwenden. Man wird weiter optimieren, wenn man denn weiß, daß man es muß. Eben mit sonst nicht gemachten, weil teuren, Analysen. Und im Großen ginge es ebenfalls. Warum nicht einen Teil der Fördergelder der heimischen Industrie geben, damit auch hierzulande in nennenswerter Menge Biokohle unter kleinindustriellen Bedingungen hergestellt werden kann. DAS wäre für mich Nachhaltigkeit. Aber keinesfalls das Abholzen von südamerikanischen oder mitteleuropäischen Urwäldern. Und das im Dienste der Ökowissenschaften.

1 Kommentar:

  1. Mit importierter Holzkohle Terra Preta herstellen finde ich auch problematisch.

    Inzwischen kann man in Deutschland mit dem "Sampada" einen Pyrolysekocher kaufen oder sich selber einen bauen:
    https://www.youtube.com/watch?v=S5ySEIJN6IU

    Damit kann man z.B. Totholz, das sonst z.B in Kleingartenanlagen teuer "entsorgt" wird, in Holzkohle verwandeln und dabei noch kochen.

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